Weshalb es mir vor der neuen Staffel von „Die grössten Schweizer Talente“ graut
Kommenden Samstag ist es wieder soweit: Das "SRF" sucht zum dritten Mal das grösste Schweizer Talent. Obwohl die ersten beiden Staffeln quotenmässig ein Erfolg waren, gibt es einige Punkte, die ich an dieser Show hinterfrage.
Blossstellen der Kandidaten
Ich habe Bilder aus den vergangenen Staffeln in Erinnerung, in denen sich das Publikum mit dem Rücken zur Bühne stellte, die Daumen nach unten streckte und die Kandidaten für ihre Darbietungen ausbuhten.
Natürlich könnte man behaupten, wer sich bei „DGST“ bewirbt und anschliessend verspottet wird, sei selber Schuld. Doch dieses Argument alleine rechtfertigt nicht, diese Menschen lächerlich zu machen. Desweiteren sollte man bedenken, dass einige Kandidaten vielleicht ein Defizit in der Bildung haben oder einfach nur den Wunsch in sich tragen, einst auch ein grosser Star zu werden und mehr Anerkennung zu erhalten. Vielleicht gerade deshalb, weil sie in ihrem Leben nicht immer von allen so akzeptiert wurden, wie sie sind.
Es fällt mir schwer vorzustellen, dass das Publikum aus eigenem Willen aufsteht und den Kandidaten den Rücken zudreht. Falls dem doch so ist, so sollte man sie instruieren, solche Aktionen zu unterlassen. Doch es liegt die Vermutung nahe, dass diese Szenen von den Produzenten der Show sogar erwünscht sind. Ansonsten würden sie ja nicht ausgerechnet jene Menschen im Publikum in Grossaufnahme zeigen oder die Auftritte zusätzlich mit spöttischer Musik unterlegen.
Inszenierung der Schicksale
Ist es wirklich nötig, dass die Schicksale der Kandidaten in diesem Ausmass thematisiert und dramatisiert werden, wie dies in den vergangenen Staffeln oftmals geschehen ist? Solchen Einspielern haftet oftmals der biedere Geschmack an, man wolle die Zuschauer durch diese Geschichten vor den Fernseher locken. Doch eigentlich sollte jeder Kandidat ausschliesslich nach seiner Leistung und seinem Können beurteilt werden.
Die Ausbreitung von Lebens- und Leidensgeschichten, so wie die Frage, ob Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren an „DGST“ teilnehmen sollten, hat der Publikumsrat 2011 bereits in Frage gestellt.
Der Werbeaufwand für diese Show ist riesig

Nicht nur in der „SRF“ App wird Werbung für „DGST“ gemacht, sondern auch während der Analyse eines Skirennens
Weder die Analyse eines Skirennens noch die „SRF“ App wird von prominenter Werbung für den kommenden Samstag verschont. Unter dgst.srf.ch wurde sogar eigens eine Website eingerichtet, die sich lediglich um „Die grössten Schweizer Talente“ handelt.
Ich finde es schade, dass ausgerechnet diese Sendung in dem Ausmass beworben wird. Es gäbe tolle Sendungen im „Schweizer Radio und Fernsehen“, doch diese scheinen nicht annähernd den Stellenwert von „DGST“ zu geniessen.
Rechtlich fragwürdige Verträge für „Logger“
„Die grössten Schweizer Talente“ wird nicht etwa von einer Schweizer Produktionsfirma auf die Beine gestellt, sondern von der deutschen „UFA Show GmbH“ (ehemals „GRUNDY Light Entertainment“). Allerdings muss sie sich bei ihren Arbeitsverträgen an das Schweizer Recht halten.
Wie in einem Bericht von Bettina Büsser aus dem Jahr 2011 zu lesen ist, seien die sogenannten „Logger“ (= Mitarbeiter hinter der Bühne) alles andere als gut bezahlt worden.
Einem „Logger“, der sich damals gegen den Vertrag gewehrt hat und eine Überstundenregelung verlangte, wurden seine Einsätze reduziert und schliesslich gar gestrichen, obwohl er mündlich die Zusage erhielt, einen überarbeiteten Vertrag sowie eine Überzeitpauschale von 20 Franken zu erhalten. Der damalige SRF-Sprecher Martin Reichlin verlautete lediglich: „Grundsätzlich werden Drittfirmen, insbesondere, wenn es sich um ausländische Firmen handelt, bei der Auftragsvergebung darauf aufmerksam gemacht, dass sie die Schweizer Gesetze einhalten müssen.”
Knebelverträge
Dem „SonntagsBlick“ lagen 2012 die Verträge der Kandidaten vor. Darin wurde offensichtlich, wie sehr den Teilnehmern in einigen Angelegenheiten die Hände gebunden wurden. Obwohl diese Verträge mit Sicherheit deutlich lascher sind als jene, die in Sendungen des Privatfernsehens ausgestellt werden, gibt es einige Punkte, die nicht ganz nachzuvollziehen sind. Beispielsweise ist es den Finalisten nicht gestattet, bis zu drei Monate nach dem Final ohne Zustimmung von „Grundy TV“ ein Konzert zu geben.
Mein Fazit
Das „Schweizer Radio und Fernsehen“ hat einen Unterhaltungsauftrag. Wie die Quote der Sendung zeigt, gelingt es der Show auch, die Zuschauer vor den Fernseher zu locken. Und doch ist mein Fazit ernüchternd, da man sich mit „DGST“ dem Niveau der Privatsender ein Stück weit nähert. Verschiedene Hinweise deuten darauf, wie beispielsweise arbeitsrechtlich fragwürdige Verträge für Mitarbeiter hinter der Bühne. Doch noch mehr bedauere ich, dass es diese Sendung nötig hat, Kandidaten zu verspotten und Schicksale zu inszenieren, um beim Zuschauer zuhause Emotionen hervorzurufen. Der Anstand und Respekt gegenüber den Menschen bleibt dabei auf der Strecke.
Doch noch hat die dritte Staffel ja nicht begonnen. Es bleibt also die Hoffnung, dass das „SRF“ und die „UFA Show GmbH“ ihr Konzept in der Zwischenzeit an einigen Punkten überarbeitet haben.
Quelle Titelbild: plus.google.com
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