„Newtopia“ – Das ödeste TV-Experiment aller Zeiten

Geschätzte Leserinnen und Leser: Für folgenden Artikel habe ich 50 Minuten meines wertvollen Lebens hergeschenkt, da mir fälschlicherweise das grösste TV-Experiment aller Zeiten versprochen wurde. Leider entpuppte es sich dann eher als das ödeste TV-Experiment aller Zeiten. Vielen Dank für die Kenntnisnahme.

Am 23. Februar 2015 war es soweit: Das selbsternannte „Grösste TV-Experiment aller Zeiten“ startete auf Sat.1. „Newtopia“ nennt es sich und das Ziel besteht darin, dass 15 sogenannte „Pioniere“ an einem abgelegenen Ort innerhalb eines Jahres eine neue Gesellschaft aufbauen. Für medienkritisch habe ich mir die Sendung vom Donnerstag, 5. März angeschaut.

Ist es eine spirituelle Gesellschaft? Mitnichten!

Sind es bereits die ersten Halluzinationen der Teilnehmer, frage ich mich, als diese am Lagerfeuer wie wild „Gelber Engel“ rufen? Oder ist es etwa eine spirituelle Gesellschaft, die die „Pioniere“ in „Newtopia“ aufbauen wollen? Keines von beidem trifft zu, die Kandidaten sind einfach nur ein bisschen irre. Denn als „Gelber Engel“ bezeichnen sie eine Kandidatin, die aus familiären Gründen „Newtopia“ für 48 Stunden verlassen durfte.

Was wohl die familiären Gründe dieser Kandidatin sind, darüber weiss Sat.1 übrigens bestens Bescheid. Denn mit der Teilnahme an dieser Show geben die Kandidaten auch ihr Privatleben preis. Alle Telefongespräche, SMS sowie E-Mails werden von der „Newtopia GmbH“ mitgehört, gelesen und/oder aufgezeichnet. Auch private Briefe an die Kandidaten dürfen vom Sender gelesen werden.

Des Weiteren müssen die Kandidaten die Ärzte bei einem Spitalbesuch von der Schweigepflicht entbinden.

Und das ist noch nicht alles: Die Teilnehmer werden sogar dazu gezwungen, ein Pfand zu bezahlen, wenn sie an der Sendung teilnehmen wollen. Zumindest die laufenden Kosten aber werden vom Sender gedeckt.

Alle diese Vertragspunkte sind für mich ein weiteres Beispiel dafür, wie die TV-Stationen teilweise naive Menschen ausnützen, um eine gute Quote und die damit verbundenen Werbeeinnahmen zu generieren.

Eine kulinarische Gesellschaft? Bewahre bei diesem Koch!

Gleich zu Beginn der Sendung wird uns Andre gezeigt. Wir sehen, wie er gerade das Abendessen zubereitet. Bezeichnet wird er als „Restaurantleiter“. Erst im Laufe der Sendung wird mir bewusst, dass er dies in seinem vergangenen Leben in unserer Welt war und das nicht etwa sein Beruf in „Newtopia“ ist. Ob die Pioniere in „Newtopia“ für neue, noch nie gesehene kulinarische Höhenflüge sorgen werden? Ich bezweifle es stark, denn was dieser ehemalige Restaurantleiter als „eine Prise“ bezeichnet, hat mit unserer Welt wirklich nicht mehr viel zu tun. Denn es scheint so, als schütte er beinahe die ganze Dose von irgendwas ins Essen. Und das soll dann schmecken?

Eine intellektuelle Gesellschaft? Bei weitem nicht…

Die Hoffnung, „Newtopia“ könnte sich zu einer intellektuellen Gesellschaft entwickeln, habe ich schnell aufgegeben. Ein Kandidat meinte, er würde sich „anatom“ machen, woraufhin er von einer anderen Teilnehmerin korrigiert wurde, er meine wohl „autonom“. Es scheint mir sowieso nicht im Sinne von Sat.1 und der Produktionsfirma zu sein, dass das Niveau ein allzu hohes Level erreicht. Daher wendet sich Sat.1 lieber wieder den wirklich wichtigen Themen des Lebens zu, wie beispielsweise:

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Eine kapitalistische Gesellschaft? Leider ja.

Schlussendlich scheint sich auch „Newtopia“ zu einer kapitalistischen Gesellschaft zu entwickeln. Obwohl die Kandidaten zu Beginn der Sendung kritische Worte zum Thema „Geld“ geäussert haben, müssen auch sie auf ihre Einnahmen und Ausgaben achten. Schade, dass man sich in dieser Hinsicht nicht bewusst für eine andere Variante entschieden hat. Erst das hätte dieses Projekt doch spannender gemacht: Wenn auch das System anders wäre als in unserer Welt.

Mein Fazit

Noch selten habe ich mich während einer TV-Sendung so gelangweilt wie bei „Newtopia“. Die Kandidaten haben nicht viel mehr gemacht als gekocht, Kühe gemolken oder Hühner impfen lassen. Falls dann doch mal etwas im Ansatz Erwähnenswertes geschieht, wird dieser eine Moment von den Machern so dramatisch inszeniert, als sei die Welt kurz vor dem Untergang.

Bedauerlich an dieser Sendung ist aber vor allem, was für Verträge die Kandidaten unterschreiben müssen, um teilnehmen zu können. Eine Privatsphäre gibt es für sie nicht mehr, nein, sie müssen sogar noch ein Pfand bezahlen, um an der Show mitmachen zu dürfen. „Newtopia“ ist für mich ein weiteres Beispiel dafür, wie tief das Niveau insbesondere im Privatfernsehen mittlerweile gesunken ist. Denn den Produzenten solcher Sendungen ist leider (fast) jedes Mittel recht, damit die Zuschauer zuhause einschalten.

Mein Highlight der Show

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Nach der Vorschau auf die Sendung blieb der Bildschirm einfach mal für 20 Sekunden schwarz. Ausser dem Sat.1 Logo war nichts zu sehen. Wie wohltuend!

Quelle Titelbild: Sat1.de

3 Comments

  1. Guter und sehr interessanter Artikel. Ein Wunder, dass die Sendung nicht bei RTL läuft…

  2. Ich möchte newtopia gerne eine e-mail schicken wo kann ich das?

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