Goodbye Frau Iseli!
Am Samstag ist fertig lustig: Dann strahlt das Schweizer Fernsehen SRF zum letzten Mal die Erfolgssendung „Total Birgit“ aus. Frau Iseli, ihre italienische Freundin Schruppatelli und die griesgrämige Nachbarin Pfund schmeissen den Bettel hin. Für die Protagonistin Birgit Steinegger geht somit eine langjährige Ära zu Ende.
Es war am 1. Mai 1998, als die Erfolgsserie „Total Birgit“ zum ersten Mal über unsere Fernsehschirme flimmerte. Für Birgit Steinegger war es ein steiler Sprung in ihrer Karriere. Dass eine Schauspielerin eine eigene Sendung zur Primetime erhielt, war beim Schweizer Fernsehen einmalig. Doch berühmt war sie schon, die damals 47-jährige Schauspielerin mit schwedischen Wurzeln, und auch ihre Figur Elvira Iseli war in aller Munde. Bekannt wurden sie in der Sendung „Übrigens“, ein Satireformat, das Steinegger selber stark mitgeprägt hat. „Da war ich eine Art Alleinunterhalterin, die Parodien machte und Dialekte nachahmte. Das war für mich ein gefundenes Fressen“, sagte sie einmal in einem Interview. Zu diesen Zeiten ist Elvira Iseli, eine mittelalterliche aber durchwegs pfiffige Hausfrau, entstanden. Sie hiess zuerst noch Moser und sprach stark in einer nasalen Tonlage. Doch bald entwickelte sich daraus Frau Iseli mit ihrem unverkennbaren Schalk und dem legendär gepunkteten Kleid. Auch ihre italienische Freundin Giuseppina Schruppatelli und die mürrische Oma Pfund entstanden im „Übrigens“. Zu diesem Zeitpunkt kannten sich die drei noch nicht.
Dann kam also „Total Birgit“. Eine Sendung mit einem einzigartigen Konzept: Die Protagonistin Birgit Steinegger spielt nahezu alle Figuren selber. Das fordert dementsprechend einen aufwendigen Dreh: Neben Birgit Steinegger ist nämlich ein Double am Schauplatz. Das Double kommt aber nur in Einsatz, wenn eine Figur von hinten zu sehen ist. Sind zwei Figuren mit Gesicht zu sehen, so werden die Szenen einzeln aufgezeichnet und mit technischen Tricks zusammengemischt. Wenn sich zwei Personen kreuzen und dabei ihre Visage in die Linse strecken, muss Birgit Steinegger vor einem Bluescreen spielen. Die Illusion ist perfekt und nur ein geübtes Auge mag einen Fauxpas zu bemerken. Diese Art zu drehen verhindert aber Improvisation. Das Drehbuch muss peinlich genau eingehalten werden.

Mit ihnen wird es im Quartier nie langweilig: Oma Pfund, Frau Schruppatelli und Frau Iseli. (SRF)
Die Szenerie findet jeweils in einem beschaulichen Wohnquartier in der Zürcher Agglomeration statt. Im Mittelpunkt steht Frau Iseli und mit ihr Frau Schruppatelli und die Pfunds. Frau Iseli stösst meistens rein zufällig auf eine neue Herausforderung. So übernimmt sie in der Folge „Big Business“ einen Weltkonzern, weil sie sich bei einer Führung durch das Unternehmen kurz in ein leerstehendes Büro schlich, um ihre E-Mails abzurufen. Fast vorhersehbar, dass sie in dieser Situation von einem geschäftstüchtigen Mitarbeiter verwechselt wird und dann als Fräulein Sutter-Sütterlin um die Welt jettet. Oder in der Folge „Ordnung muss sein“, in der Frau Schruppatelli ein Vogelhaus auf dem Balkon aufstellt und dafür eine Verordnung der Gemeinde erhält. Frau Iseli übernimmt den Fall und durchläuft alle Abteilungen einer Verwaltung. Schlussendlich kommt der Falls vors Volk. Die Folge widerspiegelt Bürokratie aufs Beste. Die Moral hinter den Sendungen ist vielschichtig. Sie sprechen Themen, die die Gesellschaft beschäftigen, auf eine humorvolle Art und Weise an. Gleichzeitig verurteilen sie aber die Machenschaften dahinter. Frau Iselis Fazit nach einer Sendung: Das Hausfrauenleben, ihr normales Leben, ist doch das schönste. Und so kehrt sie immer wieder auf den Boden der Realität zurück.
Eine solche Sendung braucht eine Gabe, die Birgit Steinegger perfekt beherrscht: Sie kann Menschen unglaublich gut beobachten und nachahmen. Oder auf der grünen Wiese die Figur neu erfinden. Da ist zum Beispiel die Frau Bläsi, eine blonde Gemeindesekretärin, die mit ihren X-Beinen und einem Sprachfehler durch das Leben stolpert. Oder ganz klassisch: Die mehr als exakte Fachangestellte im Supermarkt, die für das Abpacken eines Mödeli Käses eine gefühlte Stunde braucht. Figuren, die wir selber aus unserem Alltag kennen. Frau Schori beispielsweise. Oder eher Frau Schnori. Die Lästertante aus dem Quartier mit ihrer grauen Dreiecks-Frisur und ihrem unverwechselbaren „Känne Sie die?“. Ja, Birgit Steinegger hat viele Figuren hervorgebracht. Alleine in den ersten acht Folgen waren es mehr als vierzig. Darunter auch Ulrike Hugi Webemann, sie mit ihrer schrägen Zahnstellung und der Bratwurst mit viel Senf. Oder die dänische Gräfin, die mit ihrer Naivität die Schweiz an der Expo entdeckt.

Walter Andreas Müller und Birgit Steinegger arbeiten zusammen und sind enge Freunde. Hier auf ihrer Abschiedstournee von „Zweierleier“.
„Total Birgit“ ist ein ganz spezielles Stück Schweizer Komikgeschichte. Die Figuren haben in den letzten 16 Jahren Kultstatus erreicht. Die ganze Schweiz kennt mittlerweile Frau Iseli. Dass „Total Birgit“ in den Sand gesetzt wird, ist schade. Die Umstände wurden zwar nicht offiziell mitgeteilt, doch wissen wir, dass die langjährige Beziehung zwischen Schauspielerin und Autor, zwischen Birgit Steinegger und Markus Köbeli, letzten Sommer in Brüche ging. Ein jähes Beziehungsende eines Paares, das die Sendung fast im Alleingang gemacht hat. Oder eben doch das langsame Ableben einer Art Humor, die nur 16 Jahre zu leben hat. Ob die Absetzung von „Total Birgit“ nun Steineggers Entscheid war oder der von SRF ist unklar. Wenn Zweiteres zutrifft, ist es für Birgit Steinegger besonders hart. Schon die Sitcom „Classe politique“, in der sie mit Walter Andreas Müller Bundesräte parodierte, wurde aus dem Nichts gestrichen. Fast gleichzeitig auch die Radiosendung „Zweierleier“, ebenfalls ein Produkt des Parodisten-Duos. WAM gab damals der Berner Zeitung Auskunft: „Birgit Steinegger leidet aber jetzt schon stark unter den Absetzungen. Als die Mitteilungen kamen, war der Schock gross.“ Fakt ist, dass sich SRF schleunigst etwas Neues einfallen lassen muss. Nur mit „Giacobbo/Müller“ wird sich der Zuschauer in Zukunft nicht zufrieden geben. Jetzt wäre die Zeit gekommen, endlich wieder mal etwas Innovatives und Visionäres zu lancieren – so wie es „Total Birgit“ Ende der 90er war.
Am 3. Januar nimmt Frau Iseli uns zum letzten Mal mit auf ihre Reise. Sie sucht einmal mehr eine neue Herausforderung. Doch wohin der Weg schlussendlich führen wird, bleibt offen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns für 16 Jahre Total Birgit zu bedanken. Goodbye, Frau Iseli!
Samstag, 3. Januar 2015, 20.05 Uhr, SRF 1: „Goodbye Frau Iseli“: Zum letzten Mal „Total Birgit.“ In „Goodbye Frau Iseli“ sucht Frau Iseli eine neue Herausforderung. Sie probiert sich als Kaminfegerin, Stuntfrau und Ballett-Tänzerin.
Titelbild: SRF/Heinz Stucki
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