#Faketopia – Das ödeste TV-Experiment aller Zeiten ist gescripted
Einige Tage nach dem Start von „Newtopia“, dem als „grösstes TV-Experiment aller Zeiten“ angepriesene TV-Format von John de Mol, haben wir auf medienkritisch.ch bereits kritisch darüber berichtet. Darin bemängelten wir unter anderem die Verträge, welche die Kandidaten unterschreiben mussten. Die sogenannten „Pioniere“ mussten zum Beispiel ein Pfand bezahlen, um überhaupt an der Sendung teilnehmen zu dürfen oder werden gezwungen, die Ärzte bei einem Spitalbesuch von der Schweigepflicht zu entbinden. Abgesehen davon, dass die Sendung unserer Meinung nach keinen wirklichen Unterhaltungswert bietet, dürften bereits diese Gründe einige Menschen zum Abschalten bewegen. Doch eine Meldung von heute Morgen setzte dem ganzen die Krone auf. Ein nächtliches Treffen in der Scheune offenbarte nämlich, welchen Einfluss die Regie auf die Sendung nimmt.
Zum Glück lässt sich „Newtopia“ im Internet rund um die Uhr mit mehreren Kameras mitverfolgen, könnte man meinen. Doch in den vergangenen Wochen war es stets so, dass in heiklen Momenten auf einmal einige Kameras nicht mehr angeschaltet waren und man dann nur noch die Kühe im Stall beobachten konnte. Gestern Nacht wurde nun aber schlichtweg vergessen, die 360°-Kamera abzuschalten, als eine angetrunkene Executive Producerin zur Versammlung am Esstisch bat. Erst nachdem die Producerin per Funkgerät die geheimnisvolle Nachricht „Batteriewechsel“ erhielt, wird der Ton im Stream einige Zeit später abgeschaltet. Wie die gestrige Nacht in „Newtopia“ exakt ablief, hat das Medienmagazin „DWDL“ in einem lesenswerten Artikel zusammengefasst.

Das nicht ganz geheime Geheimtreffen in „Newtopia“ (Quelle: bild.de)
Das fragwürdige Handeln
In diesem Artikel möchte ich allerdings den Fokus auf die Ethik eines solchen Handelns richten. Dem Zuschauer wurde eine authentische Sendung versprochen, in der die Pioniere vollkommene Entscheidungsfreiheit geniessen sollten. Leider ist das Gegenteil der Fall: Die Regie nimmt Einfluss auf die Sendung und versucht, nicht vorhandene Spannung reinzubringen. Bei diesem Ausmass der Einflussnahme, die nun offensichtlich wurde, ist es wohl nicht vermessen, von einem Betrug am Zuschauer zu sprechen. Auch die heute Mittag verfasste Entschuldigung für den Vorfall wirkt nur halbgar: Es sei nicht im Sinne von Sat.1, dass solche Gespräche stattfinden. Anstatt zuzugeben, dass man die Zuschauer in die Irre führen wollte, versucht man nun, diesen Vorfall als Einzelfall herunterzuspielen. Die Sendung soll sogar fortgeführt werden.
Dabei war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem solchen Ereignis wie gestern Nacht in „Newtopia“ gekommen ist. Denn in vielen Sendungen der privaten TV-Stationen wird keine Realität mehr abgebildet, sondern versucht, eine möglichste spektakuläre und aufsehenerregende Scheinwelt zu kreieren. In der heutigen Zeit gibt es nicht mehr viel, was wirklich noch für Entrüstung sorgen kann. Daher werden immer extremere Formate produziert, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu bekommen. Ein Beispiel gefällig? Die auf „Prosieben“ ausgestrahlte Quizshow „Himmel oder Hölle“ sorgte in der Presse für einige Entrüstung, was man zum Anlass nahm, mit diesen Pressemeldungen Werbung für die Sendung zu machen. Man zeigte sich stolz darüber, dass die Sendung von einigen als grenzwertig und niveaulos betrachtet wurde.
Mein Fazit
Alleine die Tatsache, dass viele bereits damit gerechnet haben, dass die Regie in „Newtopia“ Einfluss auf die Teilnehmer nimmt, ist ein Armutszeugnis für die Produzenten jener Sendungen. Der Vorfall in „Newtopia“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie egal es den Machern ist, ob ihr Vorgehen korrekt ist. Da wären zum einen die Verträge, welche die Produzenten gegenüber dem Teilnehmer massiv bevorzugen. Von einem fairen Vertragsverhältnis kann nicht mehr gesprochen werden. Da ist aber auch der Betrug am Zuschauer, in dem man suggerierte, es werde keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Kandidaten genommen. Man versucht dies so sehr zu vertuschen, dass bei heiklen Gesprächen die Kameras auf einmal nicht mehr abrufbar sind, obwohl diese rund um die Uhr angeschaltet sein müssten. Des Weiteren hat man bis jetzt noch nicht wirklich zugegeben, dass man das Publikum hinters Licht geführt hat.
Doch auch in der Bevölkerung sollte ein Umdenken stattfinden. Ich erhoffe mir, dass zukünftig vermehrt die Produzenten solcher Sendungen hinterfragt werden, anstatt sich über die Teilnehmer lustig zu machen. Einige dieser Menschen werden nach der Ausstrahlung solcher Sendungen im Alltag gemobbt, da ihnen von den Produzenten bewusst die Rolle des Doofen zugeteilt wurde. Natürlich ist es angemessen, diese Leute darauf hinzuweisen, doch gar nicht erst bei solchen Sendungen mitzumachen. Doch schlussendlich sind sie auch nur die Opfer der Machenschaften vielerlei privater Fernsehstationen.
Quelle Titelbild: motorvision.de
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