Ein Plädoyer für die Billag

Sie ist heiss umstritten und bringt immer wieder Leute in Rage. Für die einen gehört sie zum Qualitätsfernsehen, für die anderen ist sie schlichtweg unnötig. Ich schreibe von der Billag-Gebühr, der Empfangsgebühr für die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiostationen.

Seit kurzem steht sie wieder im Lichte der Öffentlichkeit, denn neu sollen alle Haushalte – unabhängig davon, ob Sie ein Empfangsgerät besitzen oder nicht – 400 Franken Gebühr bezahlen. Zudem sind Änderungen für Unternehmen vorgesehen, denn auch sie sollen nicht mehr geräteabhängig sondern nach Umsatzhöhe bezahlen. Das stösst vielen vor den Kopf. Ja, wieso soll ich denn bezahlen, wenn ich weder SRF schaue noch höre? Und wieso sollen wir bezahlen, wenn wir in unseren Sitzungszimmern tatsächlich Sitzungen abhalten und nicht fernsehen?

Die SRG (Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft) erhält jährlich rund 1.2 Milliarden Konzessionsgelder. Eine Menge Geld, unbestritten. Das Geld wird für den Betrieb von 8 Fernsehsendern, 18 Radioprogrammen und 4 Internetseiten verwendet. Eine hohe Anzahl, ganz klar. Leider sind sich viele Deutschschweizer nicht bewusst, dass es neben den SRF-Programmen auch RTS für die französische, RSI für die italienische und RTR für die rätoromanische Schweiz  gibt. Alle Programme sind an den sogenannten Service public gebunden, also an eine öffentliche Dienstleistung, die sich über den Beitrag zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung definiert. Doch was ist Service public wirklich?

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Claudio Zanetti, SVP-Kantonsrat: “10vor10 und Rundschau sind himmeltraurige Sendungen”

Die Diskussion im Medienclub auf SRF 1 hat sich genau dieser Frage gewidmet und es wunderte mich nicht, dass ein gewisser Claudio Zanetti, für mich bisher unbekannt, in einem getreuen SVP-Stil polterte. Lächerlich, als er die Diskussion damit eröffnete, der SRG vorzuwerfen, sie sei links. Diesen Vorwurf habe ich mittlerweile schon etliche Male gehört und langsam aber sicher hängt er mir zum Hals raus. Ich kann mir vorstellen, wie die SRG-Redaktionen tagtäglich (und nicht nur die…) darüber brüten, wie sie einen politischen Inhalt möglichst fair, am besten mit Stellungnahme noch so jeder Partei, dem Konsumenten rüberbringen wollen, um den Service public zu gewährleisten. Für mich als parteienunabhängiger Fernsehzuschauer und Radiohörer gelingt dieser Auftrag der SRG durchaus gut – es ist aufjedenfall nicht so, dass ich in der Berichterstattung die SVP bis anhin als schwarzes Schaf erlebt habe.

Zanetti gehört der Gruppe „NoBillag“ an.  Ein Verein, der sich zum Ziel setzt, die Billag-Gebühr ganz abzuschaffen. Die 1.2 Milliarden also einfach so fallen zu lassen. Auf der Webseite stellen sie den Billag-Eintreiber als skrupellosen Mafiaboss dar, man spricht von „Zwangsgebühren“. Ein Argumentarium bietet eine tolle Hochrechnung an, so kommen anscheinend nach 50 Jahren – würden wir die Billag-Gebühren jährlich auf ein Sperrkonto legen – 103’209 Franken zusammen. Gerechnet hat man mit einem doch sehr optimistischen Zinssatz von 5 Prozent. Wie leichtsinnig diese Gruppe das „Quasimonopol“ abschaffen will, ist beängstigend. SRF würde es so wie heute sicher nicht geben, Zanetti behauptet, man könne den ganzen Laden einfach etwas entschlacken. So einfach ist es wohl nicht, etliche Mitarbeiter würden entlassen, der Werbeanteil massiv erhöht werden. RTS, RSI und RTR würden ganz in Versenkung geraten. Wir haben ja noch die Privaten, denken jetzt die einen. Ja, die haben wir. Aber sind wir ehrlich, wollen wir uns in Zukunft jeden Montagabend den „Bachelor“ auf 3+ anschauen anstatt 1gegen100? Oder am Sonntagabend „SwissDinner“ anstatt Tatort? Oder noch besser: Wir steigen auf RTL, ProSieben und Sat1 um. Wie kann man wegen 400 Franken im Jahr (aktuell sind es 462 Franken) so viel aufs Spiel setzen? Fernsehsender und Radioprogramme sind etwas derart wichtiges in der Schweiz. Sie motivieren, sich zu bilden, und sie bieten völlig andere Möglichkeiten als Printmedien. Mit ihrem vielfältigen Programm findet wirklich jeder was. Von Information über Sport zu Kultur und Gesellschaft ist alles dabei. Es sind alleine 6 Radiosender für die deutschsprachige Schweiz und alle bieten ein Programm für komplett andere Zielgruppen (okay, ausser SRF 1 und SRF 3, da gibt es mittlerweile einige Überschneidungen). Und es ist nunmal ein Fakt, dass die SRG im Vergleich zu den Privaten ein höheres Qualitätsangebot liefert – dank dem vollen Gebührentopf.

Damit ich nun dem Namen dieser Webseite trotzdem noch gerecht werde: Auch die SRG macht nicht alles perfekt. So gibt es heute noch Formate, die mich ärgern. „glanz&gloria“ finde ich beispielsweise eine schreckliche Sendung oder ich bin überhaupt kein Fan von „Happy Day“. Aber was soll’s, dann schaue ich einfach nicht. Hinter dieser Gebühr steckt eben ein sozialer Gedanke: Ein Kulturbanause finanziert indirekt mit seinen 462 Franken den Literaturclub mit oder der Immigrierte Folkloresendungen wie die Landfrauenküche. So funktionert das und so soll es auch bleiben.

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