20 Jahre „Extra“ – Wir „gratulieren“
Vergangenen Montag feierte das RTL-Magazin "Extra" sein 20-jähriges Jubiläum.
Für medienkritisch habe ich mir die Sendung angeschaut und wurde nicht enttäuscht: Das Magazin bietet tatsächlich alles, was ich von einer RTL-Sendung erwarte. Sie wissen schon, wovon ich spreche? Ansonsten lesen Sie nachfolgend die 3 Faktoren, die ich meine und auf denen so manche RTL-Sendung aufbaut.
Faktor 1 – Das Schicksal
Es ist leider eine Eigenschaft vieler privater Fernsehstationen, ihr Publikum mit Schicksalen einzelner Menschen vor den Fernseher zu locken. Solche Geschichten erwecken beim Zuseher Mitleid und je mehr Leute Mitleid haben, desto höher fällt auch die Mitleidsquote aus – entschuldigen Sie, ich meine natürlich die Einschaltquote. Im „Extra“ Rückblick auf die vergangenen 20 Jahre wurde die Geschichte von Mayla als Beispiel ausgesucht. Mayla ist mittlerweile vier Jahre alt und hat eine Krankheit, für die es bisher noch keinen Namen gibt. Es handelt sich dabei um einen Gendeffekt, der sie in regelmässigen Abständen ganz wild für 12-24 Stunden mit den Armen und Beinen zappeln lässt. Medikamente dagegen gibt es keine, und es ist auch ungewiss, wie sich die Krankheit weiter entwickeln wird.
Ich finde es nicht in Ordnung, wie RTL dieses Schicksal inszeniert. Allen voran störe ich mich am übertriebenen Pathos, der diesem und anderen Beiträgen anhaftet. Trotzdem anerkenne ich die Vorteile, die sich für die betroffene Familie daraus ergeben haben. Seit ihr Schicksal vor rund zwei Jahren im Fernsehen gezeigt wurde, erreicht die Familie eine grosse Solidaritätswelle. Sie erhalten aufmunternde Nachrichten sowie Spendengelder. Doch eines sollte man sich dabei bewusst sein: RTL zeigt diese Beiträge nicht, weil sie diesen Familien unbedingt helfen will. Es steht stets ein Eigeninteresse im Vordergrund. Es gibt unzählige Sendungen auf RTL, in denen Menschen dazu gezwungen werden, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen und deswegen danach gemobbt werden. Diese Doppelmoral ist schlichtweg verachtenswert.
Faktor 2 – Das Märchen
Natürlich braucht so ein Magazin auch eine märchenhafte Geschichte. Für diese Rubrik suchte man sich im Rückblick das Beispiel von Ahmed aus. Ahmed ist heute 24 Jahre alt. Als „Extra“ ihn 2010 mit der Kamera begleitete und einen Bericht über ihn ausstrahlte, war er noch ein komplett anderer Mensch. Er schlug sich unter anderem mit Raubüberfällen durchs Leben und hatte einen grossen Groll gegen die Gesellschaft. Der einzige Clou an der Geschichte ist: Ahmed ist heute „einer von uns“. Seine kriminelle Vergangenheit hat er hinter sich gelassen und möchte nun sogar einen normalen Beruf erlernen. Wer nach dieser Story den Fernseher noch nicht ausgeschaltet hat, der beweist wirklich Durchhaltewillen.

Ahmed (mit weisser Mütze) vor vier Jahren, als er sich noch mit Straftaten durchs Leben kämpfte (Quelle: stimme.de)
Faktor 3 – Die Erotik
Natürlich darf auch dieses Element nicht fehlen: Der Sex. Doch wer sich zum Ende der Sendung auf prickelnde Erotik einstellt, der wird enttäuscht. Stattdessen sind wir es gewohnt, von RTL Menschen gezeigt zu bekommen, die irgendwelche ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben haben. Als hätten wir nicht schon genug Leid ertragen müssen, werden uns zum Abschluss noch die „Top 5 Bilder der Nudisten“ präsentiert.
Immerhin bringt mich ein Statement von Moderator Kena Amoa zum Schmunzeln: „Naja, es wirkte halt immer so, als suchte man irgendeinen journalistischen Grund, Menschen nackt zu zeigen.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Wenigstens lassen die „Extra“ Redakteure ein wenig Gnade walten: Die „Sexrubrik“ wurde 2010 nach 15 Jahren abgeschafft. Bedauerlich nur, dass uns in dieser Ausgabe mehrmals gedroht wird, die Rubrik könnte schon bald ins Fernsehen zurückkehren. Mein Kommentar dazu: „Gott bewahre!“.

Um Sie vor den Nudisten zu verschonen, zeigen wir Ihnen an dieser Stelle einen niedlichen Bären (Quelle: minibild.de)
Was gibt’s sonst noch zur Sendung zu sagen?
Auch wenn es mein Artikel bis anhin nicht vermuten lässt, aber den Journalisten von „Extra“ gelangen in diesen 20 Jahren auch einige eindrückliche Reportagen. Zum Beispiel reiste man in die gefährlichste Stadt der Welt, Ciudad Juárez, und berichtete von dort. Leider werden aber auch diese Beiträge so boulaverdesk aufbereitet, dass sie an Glaubwürdigkeit verlieren. Als müsste man jeglichen Inhalt so präsentieren, dass ihn der durchschnittliche RTL-Zuseher auch ja versteht und nicht wegzappt. Schade verlieren diese Reportagen dadurch an Bedeutung.
Es ist mir durchaus bewusst, dass eine Jubiläumsausgabe dazu da ist, sein Bestehen zu feiern und auf tolle Momente einer Sendung zurückzublicken. Doch wie sehr sich dieses Magazin über den Klee lobt ist beeindruckend. Dem Zuschauer wird suggeriert, dass Ahmed nur wegen „Extra“ sein Leben wieder in den Griff bekommen hat, Mayla und ihre Familie nur dank „Extra“ eine solche Unterstützung erhalten, Auswanderer Konny Reimann nur wegen „Extra“ berühmt wurde, etc. Die Liste liesse sich beliebig weiterführen. Ein Stück weit mag dies auch tatsächlich so sein. Doch das heisst noch lange nicht, dass man seine Erfolge deswegen so in den Vordergrund stellen muss.
Mein Fazit
„Extra“ gelingt es, jegliche Faktoren zu verschmelzen, die für RTL typisch sind. Dabei wird einem bewusst, dass die Sendung den Beinamen „Das RTL-Magazin“ tatsächlich verdient hat.
Doch abgesehen davon stört mich vor allem etwas gewaltig: RTL lässt in dieser Sendung keine Gelegenheit aus, um sich quasi als die Retter der Menschheit auszugeben. Gleichzeitig setzt man Leute in Sendungen wie beispielsweise „DSDS“ oder „Das Supertalent“ mit Knebelverträgen unter Druck. Man riskiert, das Leben dieser Menschen dadurch ein Stück weit zu zerstören. Jeder, der „Extra“ sieht und den Aussagen in den Beiträgen bisweilen glauben schenkte, sollte hinterfragen, ob es diese Redakteure mit ihrer Hilfe tatsächlich ernst meinen oder ob nicht eine andere, verwerfliche Absicht dahinter steckt.
Quelle Titelbild: gopixpic.com
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